Peter Nennstiel
Zeitzeuge der Nachkriegsjahre

Seite 6                          



Meine nächste berufliche Veränderung, wurde wie so oft durch den Zufall bestimmt. Ein Bekannter aus meiner Seefahrtszeit, berichtete mir: Der Hamburger Schiffsmakler "Seetrans" sucht für gute Bezahlung, Schiffsführer für den Küstenbereich in Saudi Arabien. Wir sind beide nach Hamburg gefahren und haben den Job bekommen.Der Vertrag war wirklich gut, mein Arbeitgeber wurde die "Saudi Arabien - Railroad Company " (Eisenbahngesellschaft.) Ich wurde ab dem 1. September 1976 als Kapitän auf eine Autofähre zwischen Dharan und Barain eingestellt. Drei Monate Dienst, einen Monat bezahlt frei. Flugkosten zu Lasten der Saudis.8000 DM. Netto für Brutto als Monatsheuer. Allerdings keine Versicherungen und keine Steuern.Am 06. September bin ich dann von Bremen nach Frankfurt und von dort mit "Olympic Airways nach Dharan geflogen. Mein Schiff die Fähre "Al Dossary" ein Neubau, lag noch im Hafen. Die Innenausbauten mussten noch fertig gestellt werden. Wer die damaligen Verhältnisse in Saudi Arabien kannte, weiß das so etwas sehr lange dauern kann.Meine ersten drei Monate habe ich in einem guten Hotel verbracht und an Bord die Bauaufsicht gemacht.Der Ölboom in den arabischen Golfstaaten war auf seinem Höhepunkt. Die Länder wurden in kurzer Zeit, aus dem Mittelalter in die Neuzeit katapultiert. Ein Chaos ohne gleichen, die See und Flughäfen waren vollgestopft mit Waren aller Art. Dollars im Überfluss. Krassere Gegensätze habe ich in meinem Leben nie wieder gesehen.Ein Beispiel: Gelegentlich wurden Mörder auf dem Marktplatz öffentlich geköpft. Finsteres Mittelalter, aber der Henker wurde im amerikanischen Straßenkreuzer neuestes Modell, mit seinem Schwert von der Moschee zur Hinrichtungsstätte gefahren. Wehe, er schaffte es nicht mit einem Schlag den Kopf vom Hals zu trennen, er wurde vom gaffenden Volk beschimpft und ausgebuht. Während der Hinrichtung wurde kostenloser Tee an die Bevölkerung gereicht.Geköpft wurde nur, wenn zwei von einander unabhängige Zeugen die Tat gesehen haben. Das allerletzte Wort hatten die Angehörigen des Opfers, sie konnten vom Täter ein Blutgeld verlangen oder aber auf seinen Tot bestehen.Eine für uns Europäer etwas lustigere Bestrafung, war die am Freitag (Islamischer Sonntag) statt findende Prügelstrafe. Bei kleineren Vergehen, zum Beispiel der Genuss von alkoholischen Getränken, Verzehr von Schweinefleisch, nicht einhalten des Ramadan usw. wurden die Delinquenten in einem modernen Streifenwagen durch die Stadt gefahren. Bei jeder Menschenansammlung wurde gehalten, die Sirene heulte auf, der Polizist prügelte die Gefangenen aus den Wagen, mit einen stabilen Rohrstock, bekam jeder einige kräftige Schläge. Für einen Moslem eine große Beleidigung, in der Öffentlichkeit geschlagen zu werden. Die Bestrafungen nach der Scharia wurde auch bei Ausländern wie wir angewendet.Später an Bord habe ich nie irgendeine Form der Kriminalität erlebt. Eine gewisse Abschreckung hatten diese rauen Sitten schon.Die Saudis selber brauchten nicht mehr zu arbeiten. Sie bekamen vom König "Abdul  Azis bin Abdul Rahman al Saud" monatlich Geld.Fast alle Arbeiten wurden für teures Geld von, Libanesen, Yemeniten, Amerikaner oder uns Europäern erledigt. Wenn heute in der Bundesrepublik das Thema Gastarbeiter und Ausländer zur Sprache kommt, kenne ich das Thema aus eigener Erfahrung. Mein Tipp: Anpassen, Anpassen, oder zu Hause bleiben. Alles wird irgendwann einmal fertig, so auch die Innenausbauten der "Al Dossary" mein neues Schiff. Die Besatzung bestand aus meiner Wenigkeit als Kapitän, drei Pakistanis in der Maschine und vier Yemeniten als Deckbesatzung. Unsere Reise ging im Pendeldienst von "Ras Tanura" Festland Saudi Arabien zur Insel "Bahrain" Vereinigte Arabische Emirate, eine Reise dauerte ca. sechs Stunden. Die Fähre war vorn und achtern mit Klappen ausgerüstet, wir konnten ca. 20 LKW. mit an Deck nehmen.  Da wir im flachen Küstengewässer manövrierten, betrug der Tiefgang nur 10 Fuß (3m.). Bürokatrie bei der Schiffs und Ladungsabfertigung gab es keine, jede Person und jedes Fahrzeug mit einem Karnet der jeweiligen Hafenkapitäne wurde befördert. Ich war ca. drei Jahre auf dem Schiff und in der Zeit hat sich nie ein Reederei oder Behördenvertreter an Bord sehen lassen. Einmal im Monat habe ich mich beim Hafenkapitän (einem Saudi) gemeldet. Freundlich wurde ich empfangen und mit süßem Tee (Tschy) bewirtet. Dann wurden mir acht hagelneue Tausendmarkscheine, meine Heuer, überreicht. Für die Rest Besatzung wurde mir die Heuer in Rials übergeben. Mit dem Geld in der Hosentasche fuhr ich mit meinem Toyota Geländewagen (Dienstwagen) wieder an Bord. Alle drei Monate kam ein deutscher Kollege, meine Ablösung, und regelmäßig  hatte der Hafenkapitän vergessen meinen Rückflug zu buchen. Er amüsierte sich dann jedes Mal köstlich über meine Aufregung. Auf Englisch sagte er dann, ich kann selber Flugtickets schreiben. Schrieb laut lachend, einen Satz in Arabisch von rechts nach links auf einen Fetzen Papier und gab ihn mir. Auf dem Flughafen "Dharan" erlebte ich dann mein blaues Wunder: Nachdem ich am Schalter der "Saudi Airlines" meinen Papierfetzen vorzeigte, stürzten sofort zwei Flughafen Militärs und eine Grund Stewardess (Libanesin) auf mich zu. Sie rissen mein Gepäck an sich und führten mich in die VIP Lounge. Die reizende Stewardess wich bis zum Abflug nicht von meiner Seite, versorgte mich mit leckeren Fruchtsäften und führte mich an Bord einer Boeing 747, der Flugkapitän begrüßte mich mit Handschlag, von Dharan bis Frankfurt  durfte ich in der ersten Klasse reisen. Am Schalter der Saudi Airlines in Frankfurt, lag dann schon mein Flugticket (ein echtes, kein Papierfetzen) für den weiter Flug  nach Bremen. Später erfuhr ich das es sich bei meinem Hafenkommandanten um einen missratenen Prinzen der Ibn  Saud Familie  handelte, der mit diesem Posten beschäftigt wurde. Hier passt der Ausdruck, er wurde in die Wüste geschickt. Nachdem ich mich an die doch sehr gewöhnungsbedürftige Mentalität der Araber gewöhnt hatte, gab es keine Probleme. Mein einziges Problem war, dass ich mir nicht zuviel der Lebensart zueigen machte. Hartes Arbeiten, Hetze, und Stress waren schon wegen der hohen Temperaturen nicht möglich und wurden auch nicht erwartet. Das arabische Gemeinwesen wurde vom Koran und der Sharia bestimmt. Meines Erachtens, macht das unter den Landeseigenschaften auch Sinn und ist plausibel. Die fast nicht vorhandene Kriminalität war für mich neu und sehr angenehm. Auch an Bord wurde nie etwas abgeschlossen und nie fehlte etwas. Da die Freizeitmöglichkeiten in Dharan und auf Bahrain sehr gering waren, spielte sich meine freie Zeit fast nur an Bord ab. Im Laufe der Zeit wurde unser Fähranleger so etwas wie ein zweiter Marktplatz, es war immer lebendig und es gab viel zu sehen. Langeweile ist nie aufgekommen.